„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ Das Zitat der englischen Ärztin und Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin, Cicely Saunders (1918-2005), das Markus Bender, Chefarzt Alters- und Palliativmedizin der GRN-Klinik Schwetzingen, für seinen Vortrag in der Cafeteria der Klinik nutzte, bringt eine der Kernaussagen seines Vortrags auf den Punkt. Der Tod wird in unserer Gesellschaft noch immer häufig tabuisiert. Dabei gehört er zum Leben genauso wie die Geburt oder das Altern, und jeder Mensch wird irgendwann mit ihm konfrontiert. Über 120 Interessierte folgten am Dienstag, 1. Oktober 2019, dem Doppelvortrag aus der Reihe „Im Zentrum Gesundheit“ zum Thema „Was passiert beim Sterben“ mit Markus Bender und Evelyn Spitaler, katholische Klinikseelsorgerin der GRN-Klinik. Beide sind der Ansicht: Sich mit dem Thema aktiv auseinanderzusetzen hilft, zu einer positiveren Haltung gegenüber dem Sterben zu gelangen.
Das Sterben beginne schon mit dem Beginn des Lebens, so Bender. Einen Jungbrunnen gebe es für uns nicht. 80 bis 90 Prozent der Menschen wolle im Kreise der Familie sterben, doch am Ende gelinge das nur den Wenigsten. Bender zitierte die Statistik: 2017 verstarben in Deutschland rund 933.000 Menschen, davon mehr als die Hälfte in Krankenhäusern, etwa 25 Prozent in Pflegeheimen. Das durchschnittliche Sterbealter liegt heute bei etwa 79 Jahren. Aufgrund des demografischen Wandels – die Menschen werden immer älter – kommt der modernen Altersmedizin eine immer größer werdende Bedeutung zu. Sie kann heilend (kurativ), ganzheitlich umsorgend (palliativ) und rehabilitativ sein. Bender stellte auch die Frage: „Was wünschen sich Sterbende?“ und gab sogleich die Antwort aus der Praxis: „Normalität.“ Ganz wichtig sei es, dass Angehörige offen, ehrlich und aufrichtig mit dem Sterbenden umgingen. „Artikel 1 des Grundgesetzes: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘, gilt auch beim Sterben“, so der Altersmediziner, der in der entsprechenden Palliative-Care-Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Ansatz sieht, die Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit der Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind, zu verbessern. Kurzum: Sterbende begleiten ist immer so individuell wie die Sterbenden selbst. Dabei immer im Blick: die Lebensverlängerung, die Schmerzfreiheit und, daraus resultierend, die Lebensqualität.
Welches sind die Symptome am Lebensende, die Patienten und Angehörige am meisten belasten? Schmerzen, Atemnot sowie Unruhe und Verwirrtheit. Und auch die Ernährung am Lebensende beschäftigt Betroffene, die sich die Frage stellen: „Muss mein geliebter Angehöriger jetzt verhungern oder verdursten? Ist eine künstliche Ernährung in der letzten Lebensphase nötig? Markus Bender: „Menschen sterben nicht, weil sie nichts essen, sondern sie essen nichts, weil sie sterben.“ Erklärt wird dieser Zustand durch die Abbau-Stoffwechsellage – normale Nahrungsmengen können nicht mehr verarbeitet werden, kleinste Mengen reichen aus, um Hunger und Durst zu stillen. Die künstliche Ernährung hingegen sei ein Eingriff und bedürfe einer Indikation und einer Einwilligung des Patienten oder Betreuers („mutmaßlicher Patientenwille“). „Eine sorgfältige Einzelfallentscheidung ist hier notwendig.“
Aus ihrer Erfahrung als Klinikseelsorgerin ergänzte Evelyn Spitaler den Vortrag des Arztes und machte zugleich Mut: „Die Lebenszeit kann nicht zurückgedreht werden, sie ist nicht wiederholbar. Wer dies verstanden hat, hütet seine Zeit wie einen wertvollen Schatz. Wir sollten die Zeit mit positiven Gedanken füllen, damit wir mit neuer Kraft nach vorne blicken können.“ Und weiter: Wer positiv denke, habe keine Angst vor dem Tod. Er weiß und akzeptiert, dass der Tod kommen wird, ohne Wenn und Aber.
Nächster Termin der Reihe „Im Zentrum: Gesundheit“ in Schwetzingen
Dienstag, 3. Dezember 2019, 18.30 Uhr:
Die Gebärmutter: Ein ganz besonderes Organ
Dr. med. Annette Maleika, Chefärztin Gynäkologie und Geburtshilfe, GRN-Klinik Schwetzingen