Gegenwärtig leben in Deutschland rund 1,7 Millionen Menschen mit Demenz. Jahr für Jahr kommen rund 300.000 Neuerkrankungen hinzu. Bis 2050 rechnet die deutsche Alzheimer Gesellschaft mit drei Millionen Patienten. Demenz stellt nicht nur für die Erkrankten, sondern auch für deren Angehörige, ihr soziales Umfeld und die betreuenden Pflegekräfte eine große Belastung dar. Was steckt hinter dem Demenzsyndrom? Wie fühlt sich ein Mensch mit Demenz, der aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen und im Krankenhaus stationär behandelt werden muss? In einem Doppelvortrag befassten sich Markus Bender, Chefarzt der Altersmedizin an der GRN-Klinik Schwetzingen, und Karin Kircher, Koordinatorin des Geriatrischen Schwerpunkts der GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH, mit diesen Themen. Beide betonten die Wichtigkeit eines wertschätzenden Umgangs mit demenzkranken Menschen durch professionell Pflegende oder Angehörige. Der Vortrag fand im Rahmen der Reihe „Im Zentrum: Gesundheit“ am 4. Februar in der Cafeteria der GRN-Klinik Schwetzingen statt.
Verändertes Erleben bei Demenz
„Stellen Sie sich vor, Sie wissen nicht, was für ein Tag heute ist, wie alt Sie sind, ob Sie verheiratet sind oder Kinder haben. Und jetzt befinden Sie sich in einem großen Haus mit vielen Türen, grellem Licht, ungewohnten Geräuschen und Gerüchen sowie fremden Menschen in weißer Einheitskleidung, die seltsame Dinge mit Ihnen tun.“ Mit diesem anschaulichen Beispiel brachte Markus Bender den Besucherinnen und Besuchern das Erleben eines Menschen mit Alzheimer nahe, der stationär in eine Klinik aufgenommen wurde. Demenz, ein Syndrom infolge einer fortschreitenden Krankheit des Gehirns, geht mit unterschiedlichen Funktionsstörungen einher. Betroffen sind unter anderem das Gedächtnis, die Orientierung und die Sprache.
Häufig leichtfertig gestellte Diagnosen
Die Ursachen sind je nach Demenzform unterschiedlich: Am häufigsten ist die Alzheimer-Krankheit ein Auslöser, gefolgt von vaskulären (gefäßbedingten) Demenzen. „Die Diagnose ‚Demenz’ wird aber häufig viel zu schnell und zu leichtfertig gestellt“, so der Altersmediziner. „Fachärztliche Untersuchungen, psychologische Tests, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) und vor allem eine Verhaltensbeobachtung über sechs Monate sind notwendig, um eine Demenz eindeutig nachweisen zu können.“ Der Spezialist betonte in diesem Zusammenhang auch, dass es in der Altersmedizin besonders wichtig ist, bestimmte Krankheiten oder Zustände von anderen zu unterscheiden und so eine Demenz beispielsweise auch von einem Delir – einem akuten Verwirrtheitszustand – oder einer Depression abzugrenzen.
Was ein Mensch mit Demenz braucht
Die meisten Demenzformen sind nicht heilbar, und Medikamente können das Voranschreiten der Erkrankung höchstens verlangsamen. Viel wichtiger und ausschlaggebender sind daher eine optimale Versorgung und Pflege der betroffenen Menschen. Wollen Krankenhäuser auf diese Bedürfnisse eingehen, so müssen sie demenzsensible Stationen schaffen. Bereiche mit klaren und übersichtlichen Strukturen, mit Orientierungshilfen wie Symbolen oder Bildern. So kann Vertrautheit entstehen und ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt werden. Markus Bender: „Leider haben wir diese optimalen Standards noch nicht überall erreicht, aber wenn ein Mensch mit Demenz stationär behandelt werden muss, sollten Angehörige immer nachfragen, ob es eine Fachabteilung für Altersmedizin gibt und das Krankenhauspersonal sowie mögliche Zimmernachbarn unbedingt über die Demenz informieren, um Verständnis und Akzeptanz zu fördern.“
Wertschätzende Begleitung
Im zweiten Teil des Vortragsabends betonte Karin Kircher, Koordinatorin des Geriatrischen Schwerpunkts des GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH, ebenfalls, wie wichtig ein wertschätzender Umgang mit den Betroffenen sei: „Menschen mit Demenz haben die gleichen Bedürfnisse wie wir. Sie wollen schöne Dinge erleben, respektiert werden und ihre Würde bewahren“. Es komme auf eine respektvolle, mitfühlende Grundhaltung an, bei der der Erkrankte spürt, dass er akzeptiert und verstanden wird. Karin Kircher: „Für eine gute Begleitung eines Menschen mit Demenz ist es ganz wichtig zu akzeptieren, dass nur seine Erlebniswelt zählt, nicht unsere. Man muss den Betroffenen so annehmen, wie er ist und versuchen, Vertrauen zu bilden, indem man ihm Geborgenheit und Sicherheit vermittelt.“ Konkret bedeutet das in der Kommunikation, seinen Gesprächspartner beim Namen zu nennen, körperliche Nähe herzustellen, auf Augenhöhe zu kommunizieren und freundlich zu sein. „Spiegeln Sie Ihr Gegenüber“, so Kircher, „wiederholen Sie Aussagen, sprechen Sie langsam und setzten Sie auch Gestik ein. Und vor allem: Lassen Sie den Patienten selbst entscheiden.“ So lautet auch der Lieblingssatz der engagierten Demenz-Expertin: „Möchtest du …?“ statt „Wir machen jetzt …“ Und Markus Bender fasste in seinem Schlusswort zusammen, was er sich in solch einer Situation von seinem Umfeld wünschen würde: „Vertrautheit, Wertschätzung, Freiheit, Verständnis, Würde und Respekt.“
Bildunterschrift: Markus Bender und Karin Kircher (Foto: GRN)