Die GRN-Klinik Schwetzingen hat eine Kalligraphie geschenkt bekommen – als Andenken und Dankeschön für den starken Zusammenhalt für Andi Olalere Adegbite, Pflegeassistent in der Gastroenterologie und Onkologie der Klinik. Der Mann aus Nigeria wäre im vergangenen Jahr fast abgeschoben worden. Nach einer herzergreifenden Solidaritätsaktion durfte er bleiben – die Info bekam er nur wenige Stunden vor der festgesetzten Abreise, Agdebite hatte schon fast im Flugzeug gesessen.
„Ich habe noch nie erlebt, dass Kollegen so zusammenstehen“, sagt Galeristin Claudia Bjerstedt, die Agdebite nach seiner Flucht aus Nigeria im Jahr 2015 ein Zimmer in ihrer Galerie zum Wohnen zur Verfügung gestellt hatte und für die Agdebite inzwischen quasi zur Familie gehört. Sie hatte deshalb das dringende Bedürfnis, der Klinik als Dank etwas zu schenken. „Es war schön zu sehen, wie viele seiner Kollegen sich um ihn gekümmert haben“, blickt sie heute zurück.
Auch Marianne Kandert, bei der GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH für das Internationale Recruiting zuständig und maßgeblich an der Rettungsaktion für Agdebite beteiligt, sowie Jens Scheurich, Pflegedienstleitung der GRN-Klinik Schwetzingen, sind nachhaltig beeindruckt von den Ereignissen aus dem vergangenen Jahr. „Das war eine extreme und besondere Situation. Ich hatte teilweise Tränen in den Augen. Es war extremst berührend“, beschreibt Kandert ihre Gefühlslage. Auch für Scheurich eine einmalige Situation: „Es war ein besonderer Moment des Zusammenhalts, den ich so noch nie erlebt habe.“
Begründung für die angeordnete Abschiebung Agdebite war schlicht: Er habe in Deutschland kein Aufenthaltsrecht. Kandert beschreibt die damalige Argumentation der Behörden: „Nach seiner Flucht aus Afrika war sein Asyl-Gesuch hier in Deutschland abgelehnt worden.“ Sie fand jedoch: „Andi ist hier bestens integriert – als Pflegeassistent in der GRN-Klinik Schwetzingen, in seiner Gemeinde, er hat eine Wohnung, Führerschein, ein eigenes Auto. Nach so langer Zeit, die er schon in Deutschland war und sich nie etwas zu Schulden hat kommen lassen, ist er für mich das Paradebeispiel einer gelungenen Integration.“ Deshalb setzte nicht nur sie sich nach Kräften dafür ein, dass er bleiben darf. Es gab eine ganze Unterschriftenaktion und gesammelte Gelder, damit er – wenn er schon in die Heimat zurückmuss, zumindest freiwillig dorthin fliegen und sich anschließend frei bewegen kann, nicht im Abschiebeflugzeug und dann dort in Gefangenschaft sitzt.
Das große Engagement hat sich gelohnt. Seine Integration par excellence haben nicht zuletzt wegen der großen Wellen, die seine bevorstehende Abschiebung schlug, auch die Behörden anerkannt – bis dahin war es aber ein steiniger Weg. Am 21. Juli 2021 wurde der Mann aus Nigeria festgenommen und in ein Gefängnis gebracht, am 27. Juli sollte er im Abschiebe-Flugzeug sitzen. Einen Anruf durfte er vor seiner Verhaftung tätigen und hat seine Vermieterin und enge Freundin Claudia Bjerstedt kontaktiert. „Nimm deinen Ordner mit deinen Unterlagen aus Deutschland mit“, hatte sie ihm geraten.
Für die prompte Umsetzung erntete er zunächst Spott: „Was wollen Sie denn mit diesem Ordner? Brauchen Sie keine Anziehsachen?“ Agdebite reagierte gelassen, sein tiefes Gott-Vertrauen schenkte ihm eine innere Ruhe, die beeindruckte: „Dieser Ordner ist alles, was ich brauche“, erwiderte er und ließ sich davon nicht beirren. Er sollte Recht behalten. „Ohne diesen Ordner hätte ich mir keinen Überblick darüber verschaffen können, wo wir am besten mit der Unterstützung für ihn ansetzen können“, sagt Marianne Kandert, die damit Infos und Fakten an der Hand hatte, die die Behörden schließlich überzeugten. Agbdebite wird freigelassen, die Abschiebung gecancelt.
Die Nachricht, die ganze Felsen der Erleichterung zum Einstürzen brachte, kam wenige Stunden vor der geplanten Abschiebung. „Ich habe versucht, Herrn Agdebite anzurufen, habe ihn aber zunächst nicht erreicht“, was den Spannungsbogen weiter nach oben zog. „Ich war im Wald und habe gebetet“, sagt Agdebite hinterher mit einem Lächeln.
Heute ist er glücklich, weiterhin in Deutschland leben zu dürfen. Jüngst war er zu Besuch in seiner Heimat, hat dort Familie besucht, Freunde und einfach mal nichts gemacht, wie er kurz vor der Reise verkündete. Hinterher die große Überraschung: er hat geheiratet und hofft darauf, seine Frau in Kürze ebenfalls nach Deutschland holen zu dürfen.
„Andi, du darfst gern in Nigeria Urlaub machen. Aber du musst unbedingt wiederkommen“, hatten seine Kollegen ihn in die Ferien gelassen und freuen sich, den bei Patienten und Kollegen geschätzten Mann wieder in ihren Reihen zu wissen. Der Pflegeassistent lacht, als er die Situation wiedergibt, freut sich über so viel Wertschätzung und Zuneigung. Er schätzt seine Arbeit und mag den Austausch mit Patienten und Angehörigen. „Viele fragen, wo ich herkomme und so kommen wir ins Gespräch.“ Für den offenen, geselligen Menschen sind das angenehme Erfahrungen.
Die Kalligraphie, die die Klinik geschenkt bekommen hat, hängt übrigens jetzt auf der Station M1/M2, auf der Agdebite arbeitet. „Das ist nur sinnvoll und steht dort für den engen Zusammenhalt der Kollegen“, sagt Pflegedienstleiter Jens Scheurich. Eine Entscheidung, die auch „Andi“ Agdebite und Marianne Kandert begrüßen.