GRNplus Dezember / 2020

42 Der Quacksalber (von Schreien, quacken und -salver, ahd. salbari, der Arzt) steht als Gruppenbezeichnung für die Vielfalt des medizinischen Marktes in der Frühen Neuzeit. Im Gegensatz zu ortsansässigen Heilkundigen wie Ärzten, Chirurgen, Badern, Apothekern und Ammen wanderte er von Ort zu Ort und nutzte Markttage, Feste und Jahrmärkte für publikumswirksame Auftritte, oft auch mit „Gauckelpossen“ und „Comödienspielern“, um seine Heilkunst anzupreisen und zu verkaufen. Der Heidelberger Hofarzt Joachim Struppius bemerkt hierzu, dass die Quacksalber etwa „auf dem Hopfen- markt zu Hamburg oder auf dem Fischmarkt zu Frankfurt [...] grosze siegel und briefe aufzuhängen pflegen“, um damit zu „beweisen, was sie vor grosze thaten mit ihrer salbe [...] gethan haben“. Ökonomisch stand der Quacksalber in Konkurrenz zu ortsansässigen Heilkundigen und zog deren Missgunst, Kritik und Anzeigen an die Obrigkeit auf sich. Daneben deutete die Zuwendung zum Quacksalber aber auch auf Defizite in der Heilkunst der „guten Ärzte“, wenn darauf hingewiesen wurde, dass mancher Patient besonders „in einer unheilbaren Krank- heit die Ohnmacht der Kunst bei guten Ärzten erfährt, und nun auch den Quacksalber ruft“. Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart ist emeritierter Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Für GRNplus beleuchtet er einige Meilensteine der Medizin etwas genauer. Dieses Mal geht es um Quacksalber und den „Medizinische Markt“ des 16. und 17. Jahrhunderts. Zahnbrecher, Oculisten und Olitätenhändler Der SpezialisierungsrahmenderQuacksalber war weit gespannt und reichte von Zahnbrechern, Oculisten (Starstechern) und Bruchschneidern bis hin zu Wurzel- und Salbenkrämern oder Olitätenhändlern. Der unterstellten Dubiosität und Lebensbe- drohlichkeit („Meuchelmoerder, worunter auch die Quacksalber zu zaehlen“) ihrer als betrügerisch gebrandmarkten Heilkunst entsprachen früh die Topoi der Kritik, so etwa in Sebastian Brandts Narrenschiff (1494): „Viel maßen sich der Heilkunst an, von denen keiner etwas kann, als was das Kräuterbüchlein lehrt und man von alten Weibern hört. [...] Durch Narren wird gar mach[ein]er verführt, der eher verdirbt, als er es spürt.“ Insgesamt muss die Rhetorik der Quacksalber-Kritik allerdings relativiert werden. Viele der vagabundierenden Medizinalper- sonen, die als Quacksalber diffamiert wurden, hatten nämlich durchaus feste Wohnsitze und waren in ihren Kuren auch keineswegs erfolglos. Sie nahmen bei niedriger Arztdichte ihren Platz im medizinischen Versorgungssystem besonders der einfachen Menschen ohne Frage ein. In der Fachprosa setzte die Kritik an Quacksalbern bereits im 16. Jahrhundert ein und kulminierte im 17. und 18. Jahrhundert besonders im deutschsprachigen Raum und in England. Auch in Literatur und Malerei war der Quacksalber ein beliebtes Motiv. Die Medizinalordnungen des Absolutismus versuchten, das Wirkungsspektrum des Quacksalbers einzuschränken oder ihn ganz aus dem öffentlichen Gesundheitswesen zu verbannen. Zuwiderhandlungen wurden oft mit hohen Strafen bedroht wie etwa im Preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) mit „sechswöchentlicher bis einjähriger Zuchthausstrafe“. Dass allerdings solche Versuche mit ihren Verboten der fahrenden Heiler undArzneimittelhändler offensichtlich wenig erfolgreiche Vorhaben darstellten, wird durch deren ständige Erneuerungen und die bis ins 19. Jahrhundert anhaltende Kritik am Unwesen der Quacksalbererei deutlich. Entnervt kommentierte 1787 der Regensburger Stadphysikus Johann Jacob Kohlhaas: „So viel ist sicher, daß mancher [fahrende] Augenarzt mehr geld in 4 Wochen aus unserer Stadt fortnimmt, als unser ganzes Collegium medicum innerhalb solcher Zeit zu verdienen im Stande ist. [...]Wie viele solcher Leute sind in unserer Stadt, die wie Heuschrecken den rechtmäßig bestellten Ärzten und Wundärzten das Brod vor dem Munde wegschnappen.“ Meilensteine der Medizin „Durch Narren wird gar Die Quacksalber waren ein be- liebtes Motiv in der Malerei. Quacksalber, anonym, Öl auf Leinwand, vermutlich nach Domenico (1712-1794) oder Francesco Maggiotto (1738- 1805), Venedig, 2.Hälfte 18. Jh., Wellcome Library no. 45031i mancher verführt“

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