GRNplus November / 2020
34 Hippokrates von Kos, unbekannte antike Büste; vermutlich römische Kopie eines griechischen Vorbilds. Heilgott Asklepios mit dem Schlangenstab. Römische Kopie einer Marmorstatue des 5. Jh. v. Chr. In der griechischen Antike standen der religiöse Asklepios-Heilkult und die rati- onale Medizin der Hippokratiker nahezu gleichberechtigt nebeneinander. Der re- ligiöse Heilkult leitete sich vom Heilgott Asklepios her, bei dem es sich der Mytho- logie zufolge um einen Sohn Apolls und der sterblichen Koronis gehandelt haben soll. Dieser Kult geht bis in das 7. bis 5. Jahrhundert v. Chr. zurück. Während des 4. und 3. Jahrhunderts v. Chr. breitete er sich über ganz Griechenland aus. Praktiziert wurde er seit dem späten 6. Jahrhundert v. Chr. in großen Heilzen- tren, deren Ruinen wir noch heute in Epidauros, Knidos, Kos, Rhodos und Kyrene finden. In diesen Zentren be- fanden sich Asklepios-Heiligtümer, so- genannte Asklepieien, Tempelanlagen mit Bädern. Die kultische Handlung umfasste Gespräche, Bäder, Gebete und Opfer an Asklepios und dessen heilende Gottkinder ebenso wie den eigentlich heilenden Tempelschlaf, für den besondere Liegehallen vorgesehen waren. Während des Schlafes, so hofften die gläu- bigen Patienten, würde sich die Heilung vollziehen und in Traumorakeln medizi- nische Ratschläge erteilt werden. Hippokrates von Kos Daneben entstand in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. die Medizinschule von Kos, in der die hippokra- tische Medizin, die für fast 2000 Jahre richtungsweisend bleiben sollte, ge- pflegt wurde. Ihr Begründer, Hippokra- tes von Kos (ca. 460–375 v. Chr.), war nach Platon der berühmteste Arzt seiner Zeit, wenn nicht der Antike. Die hippokratische Medizin unterschied vier zentrale Elemente des ärztlichen Handelns: das Einbeziehen einer schrift- lich überlieferten, ärztlichen Empirie, die Beobachtung am Krankenbett, eine Pro- gnosebildung auf der Grundlage dieser Elemente und therapeutische Maßnah- men (diätetisch, medikamentös, chir- urgisch). Sie bildeten das eigentliche Fundament ärztlichen Handelns. Auf ihm erst entwickelt der Arzt sein thera- peutisches Handeln. Das Krankheitskonzept der hippokrati- schen Medizin fußte auf einer Harmo- nie- bzw. Gleichgewichtslehre. Krank- heit wurde als gestörte Harmonie ver- standen, als schlechte Mischung der vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Den Ausgleich der Säfte vermochte der Körper durch die Verdauung wiederherzustellen. Von be- sonderer Bedeutung war dabei die Di- ätetik als maßvolle Form der gesamten Lebensführung, nicht nur des Essens und Trinkens. Die antike Diät war auf ein Gleichmaß folgender Dinge ausge- richtet: Licht und Luft, Speise und Trank, Arbeit und Ruhe, Schlafen und Wachen, Ausscheidungen und Absonderungen sowie den Zuständen des Gemüts. Fotos: Bildarchiv IGEM Heidelberg Das wohl bekannteste Textstück aus hippokratischer Zeit dürfte die noch heute für das ethische Verhalten des Arztes gegenüber seinen Patienten als grundlegend interpretierte und als „Eid des Hip- pokrates“ vielfach herangezogene Gelöbnisformel sein. Wir wissen aber nicht sicher, ob dieser Eid wirklich von Hippokrates verfasst wurde. Seine wichtigste Regelung bis heute ist sicher die Vorschrift, dass der Arzt seinen Patienten niemals Schaden zufügen darf. Die GRN-Klinik Schwetzingen ist Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg. Demnach können Heidelberger Medizinstudierende das letzte Jahr ihrer Ausbildung – ihr „Praktisches Jahr“ (PJ) – in Schwetzingen absolvieren. Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart, emeritierter Leiter des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, beleuchtet für GRNplus einige Meilensteine der Medizin etwas genauer. Zum Start der Serie geht es um die Medizin in der europäischen Antike. Der Hippokratische Eid Medizin in der Antike Meilensteine der Medizin
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