GRNplus April / 2019
24 Da ich in meiner früheren Tätigkeit an der Chirurgischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim sowohl die Leber- und Pankreaschirurgie als auch die Dick- und Enddarmchirurgie geleitet habe, hatte ich auch die Erfahrung, um überhaupt die Zulassung zu den Facharztprüfungen zu erlangen. Nun hört man bei Patienten gelegentlich: „Die Qualifi- kationen des Chefarztes sind ja schön und gut. Aber als Kassenpatient bekomme ich ihn ja wahrscheinlich eh nicht zu Gesicht.“ Stimmt das? Wilhelm: Das ist ein Irrglaube. Es ist keineswegs so, dass der Chefarzt nur Privatpatienten operiert. Vielmehr gibt es in einem Team von Medizinern immer Spezialisten, die etwas besonders gut können. Zum Beispiel operiert unsere Ober- ärztin Dr. Frauke Hildebrandt exzellent und häufig Leisten- und Bauchwandbrüche. Unsere Leitende Oberärztin Dr. Angela Ruppert-Notz und ich operieren dafür sehr viele der großen Operationen, vor allem auch der Krebsoperationen, selbst. Da spielt der Versichertenstatus keine Rolle. Das betrifft bei mir zum Beispiel Leber-, Bauchspeicheldrüsen-, Darm- und Enddarm-Operationen; da braucht man jahrelange Erfahrung. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass Sie bei großen Operationen gerade an der GRN-Klinik Weinheim die Sicherheit haben, vom Chef operiert zu werden. Abge- sehen davon ist eine Operation immer Teamwork, bei dem jüngere Kollegen dann gleich die notwendigen Erfahrungen sammeln können. Was hat Sie an der Aufgabe in Weinheim besonders gereizt? Wilhelm: Es war einerseits das breite Therapiespektrum, das in Weinheim – dank der guten Arbeit meines Vorgängers Dr. Thomas Simon und des gesamten Teams – angeboten werden kann. Es war andererseits mein Wunsch, als Chefarzt eigene Akzente setzen zu können. Das gilt zum Beispiel für die Weiterentwicklung der von meinen Vorgängern bereits eingesetzten minimal-invasiven Operationsmethoden. Ist der Chefarztposten in Weinheim nur ein Sprungbrett auf der Karriereleiter? Wilhelm: Nein. Ich habe mit dieser Stelle mein Karriereziel erreicht. Denn meine Familie und ich fühlen uns an der Bergstraße sehr wohl. Und die Entfernung zu meinem Wohnort Laudenbach ist für mich als passionierten Radfahrer geradezu ideal, um mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Worin unterscheidet sich denn ihre frühere Tätigkeit in Mannheim von der Aufgabe, die Sie in Weinheim übernommen haben? Wilhelm: Was ich in Weinheim sehr genieße, sind die kurzen Wege und damit verbunden die schnellen Entschei- dungen. Wenn Sie an einer großen Klinik arbeiten, ist das zwangsläufig anders. Wenn ich zum Beispiel den Rat unseres Gastroenterologen Professor Dr. Christoph Eisen- bach brauche, rufe ich ihn einfach an, dann diskutieren wir das und haben kurz darauf eine Entscheidung. Die bestmögliche Krebstherapie besprechen wir immer im interdisziplinären Tumorboard, bei dem sich Woche für Woche dieselben Experten treffen, was die Zusammenar- beit sehr erleichtert. Eine Besonderheit in Weinheim ist, dass wir sogar eine Strahlentherapie am Standort haben. Das heißt, wir können Patienten mit Tumorerkrankungen, die eine Kombination aus Bestrahlung, Chemotherapie und Operation benötigen, durchgehend in Weinheim behan- deln. Wir verstehen uns als ein Tumorzentrum, das hohe Qualität mit einer persönlichen Betreuung der Patienten verbindet. Hinzu kommt, dass Patienten an der GRN-Klinik Weinheim in aller Regel auch schneller einen Termin bekommen als an einer Uni-Klinik. Das ist ein großer Vorteil und beeindruckt mich sehr. Hinzu kommt: Ich bin in Weinheim sehr freundlich aufgenommen worden, und es macht mir großen Spaß, hier zu arbeiten. Ein kleiner Exkurs: Wird in gar nicht allzu ferner Zukunft Medizin-Software solche Tumorboards ersetzen, weil diese Programme alle dokumentierten Fälle in Bruchteilen von Sekunden analysieren und die beste Therapie vorschlagen können? Wilhelm: Der Tenor im Moment ist, dass die technische Entwicklung auch in diesem Bereich extrem wichtig und hilf- reich ist. Aber ein Computer wird nach meiner Überzeugung nie die klinische Erfahrung ersetzen. Natürlich werden wir auf die technischen Hilfsmittel zurückgreifen, aber ich sehe nicht, dass der Computer den Menschen bei der Entscheidung überflüssig machen wird. Zu Ihren Aufgaben als Chefarzt gehört auch der Dialog mit den niedergelassenen Ärzten, die ein ganz wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsversorgung in der Region sind. Wie gehen Sie diese Aufgabe an? Wilhelm: Das ist in der Tat ein sehr wichtiger Aspekt. Und zum Glück gibt es in und um Weinheim ein sehr gutes Netzwerk zwischen den niedergelassenen Ärzten und der Klinik. Ich bemühe mich, alle niedergelassenen Ärzte, die potenziell Patienten in die GRN-Klinik einweisen, persönlich kennenzulernen. Das habe ich in den ersten zwei Monaten sehr stringent gemacht, indem ich mehrmals pro Woche Termine mit Haus- und Fachärzten vereinbart habe. Denn ich finde es wichtig, dass man auch ein Gesicht vor Augen hat, wenn man mit dem Kollegen oder der Kollegin komplexe Fälle besprechen möchte. Mein Eindruck ist, dass dies im beiderseitigen Interesse ist. pro
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