GRNplus April / 2019

13 Wenn der Beckenboden Probleme macht, wird nicht gerne darüber gesprochen. Warum ist das ein Tabuthema? Und warum sollte man über seine Beschwerden sprechen? Weiner: Beckenbodenprobleme äußern sich häufig in Form von Organfunktionsstörungen – also Blasen- oder Darment- leerungsstörungen, insbesondere durch Inkontinenzen. Urin oder Stuhl zu verlieren gilt als unhygienisch und abstoßend, bedeutet einen Kontrollverlust durch eine Funktionsstörung. Das ist den Betroffenen sehr peinlich. Noch dazu kommt, dass diese Störungen rund um die primären Sexualorgane stattfinden und die Betroffenen sich dann aufgrund der Unreinheit als sexuell unattraktiv empfinden. Ausgeprägte anatomische Veränderungen verhindern zuletzt die Kohabitationsmöglichkeit auch ganz. Das führt zum sozialen und seelischen Rückzug und zu schweren Beziehungs- störungen. Der Leidensdruck ist sehr hoch. Für alle diese Probleme gibt es aber Lösungen, die manchmal einfacher als gedacht sein können. Daher sollte man unbedingt seine Vertrauensärzte darauf ansprechen. Für genau diese Probleme gibt es eben Sprechstunden wie unsere, um in einem geschützten Rahmen die Beschwerden zu evaluieren und Therapien auf den Weg zu bringen. Wie viele Patientinnen sind in Deutschland betroffen? Wie viele Patientinnen werden jährlich in der GRN-Klinik behandelt? Weiner: Von einer Beckenbodenschwäche und den 8 Prozent aller Frauen und 2 Prozent aller Männer betroffen, sind es mit 80 Jahren bei beiden Geschlechtern jeweils circa Dr. Stefanie Weiner, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, ist seit 2011 an der GRN-Klinik Weinheim beschäftigt. Jeden Freitag bietet sie von 9 bis 14 Uhr eine Beckenbodensprechstunde an. Sie weiß, wenn es um das Thema Beckenboden geht, ist viel Beratungsbedarf vorhanden, und es ist wichtig, darüber zu sprechen. Dr. Stefanie Weiner 40 Prozent. Von einer Senkung ist circa jede dritte Frau im Laufe des Lebens betroffen. Es gibt also viel zu helfen. So haben wir im Rahmen unserer ambulanten Sprechstunde sicherlich über 300 Patientinnenkontakte im Jahr. Welche Rolle spielt das Alter bei Problemen mit dem Beckenboden? Weiner: Es ist schon so, dass die Probleme mit dem Beckenboden mit zunehmendem Alter auftreten. Der Beckenboden ist im Laufe des Lebens ständig mehr oder weniger belastenden „Erfahrungen“ ausgesetzt, die ihn langfristig schwächen können – die Schädigung ist letztendlich ein Summationseffekt. Neben schwächenden Belastungen wie Adipositas, Rauchen, Fehlernährung, schwere körperliche Arbeit und zu wenig körperliche Betätigung kommen Schwangerschaften und Spontan- geburten als freudige Ereignisse dazu. Kümmern wir uns nicht um Entlastung von schädigenden Einflüssen und um aktive Stärkung des Beckenbodens, wird dieser zunehmend geschwächt. Spätestens wenn dann der Hormonentzug durch die Menopause noch dazukommt und das hormonelle „Doping“ von Muskulatur, Bindewebe und Gefäßen wegfällt, gibt der Beckenboden schließlich nach. Dabei kann es dann zu Organfunktionsstörungen und/oder Senkungen, also anatomische Verlagerungen der Organe, kommen. Bei besonders schwachem Bindegewebe kann dies allerdings auch schon in jungen Jahren und ohne wesentliche zusätzliche Faktoren stattfinden. Man sieht also, dass viele schädigende Faktoren schon lange im Voraus beeinflussbar wären. Daher wäre eine frühe Sensibilisierung der Frauen im Leben sinnvoll. awe „Es gibt viel zu helfen “

RkJQdWJsaXNoZXIy NDY3NDc=