Seit Februar 2018 sind Sie Professorin und Direktorin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Universität Heidelberg. Was ist für Sie das Spannende an der Medizingeschichte? Mich interessiert Medizingeschichte, weil sie sich mit dem menschlichen Körper und demAlltag der Menschen im Umgang mit Krankheit und Gesundheit in unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten auseinandersetzt. Da ich den größten Teil meiner Zeit als Medizinhistorikerin zur frühmodernden Medizin in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geforscht habe, fasziniert mich, wie Ärzte mit wenigen technischen Möglichkeiten Krankheiten diagnostiziert und behandelt haben. Auch die Geschichte der geschlechtsspezifischen Körper- und Krankheitswahrnehmung interessiert mich sehr – Mediziner haben im 19. Jahrhundert wesentlich zu Vorstellungen von Weiblichkeit beigetragen, wie sie heute noch präsent sind. Worin besteht die primäre Aufgabe des Instituts? Die primäre Aufgabe des Instituts besteht in der Sicherstellung des medizinhistorischen und medizinethischen Unterrichts und der Lehre von Medizinischer Terminologie für Studierende der Studiengänge Humanmedizin und Zahnmedizin sowie der Interprofessionellen Gesundheitsversorgung an der Medizinischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Das Team lehrt auch an einer Reihe von weiteren Institutionen, etwa am Historischen Seminar und Philosophischen Seminar sowie an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg. Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart, der das Institut bis zum Jahr 2018 leitete und für das GRN-Magazin die „Meilensteine der Medizin“ verfasst hat, ist im August 2021 gestorben. Welche Rolle spielte und spielt er noch für das Institut? Wolfgang U. Eckart hat bis zu seinem Tod geforscht, Doktorandinnen und Doktoranden betreut und Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Zuletzt hat er noch zusammen mit Maike Rotzoll eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Medizin im Nationalsozialismus – ein abgeschlossenes Kapitel?“ vorbereitet, die nun im Gedenken an ihn stattfindet. Welche Schwerpunkte beleuchten Sie in Ihrer Forschung und warum? Meine Forschungsschwerpunkte liegen derzeit in der Geschichte der Reproduktion: Mich interessiert zum einen die Geschichte der Geburtshilfe und Empfängnisverhütung im 19. und 20. Jahrhundert sowie die Geschichte der Frauengesundheitsbewegung in den 1970er- bis 1990er-Jahren. Als ausgebildete Pflegefachfrau interessiert mich die Geschichte der Pflege. Zudem gehört die Geschichte der materialen Kultur von Medizin und Pflege, das heißt die genaue Untersuchung von Gebrauchsgegenständen zu meiner Expertise. Früher habe ich mich mit der Geschichte der Psychiatrie im 19. Jahrhundert und der Geschichte der Sterbebegleitung in Medizin, Krankenpflege und Religion im 19. Jahrhundert befasst. Inwieweit wird die Corona-Pandemie Platz in der Medizingeschichte und in Ihrem Institut finden? Erste Forschungen zur Corona-Pandemie laufen bereits: Wir interviewen derzeit Pflegefachpersonen zu ihren Erfahrungen in den verschiedenen Phasen der Pandemie. Wir wollen zum einen ein „Archiv der Erfahrungen“ von Pflegefachpersonen schaffen und zum anderen die Interviews mit einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive im Sinne einer zukünftigen Vergangenheit sowie mit einer pflegeethischen Fragestellung auswerten. Zudem bin ich Mitglied der Kommission zur Pandemieforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und habe daher die Entwicklungen in der Wissenschaft aus erster Hand mitbekommen und auch Wissenschaftsförderung mitgestaltet. awe Mehr Informationen zum Institut für Geschichte und Ethik der Medizin gibt es unter www.medizinische-fakultaet-hd.uni-heidelberg.de Ein Institut, das niemals stillsteht Prof. Dr. phil. Karen Nolte leitet das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, das sich nicht nur mit der Historie, sondern auch mit der Gegenwart beschäftigt, wenn beispielsweise Forschungen über die Corona-Pandemie anstehen. Den Leserinnen und Lesern von GRNplus gibt sie nun regelmäßig Einblick in die Medizingeschichte. Medizingeschichte 28
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